Dadaab – Sand wirbelt auf, es hat rund 35 Grad. Dreimal pro Woche landet ein Flugzeug der Vereinten Nationen hier in Dadaab. Mitten in der Halbwüste im Nordosten Kenias liegt das größte Flüchtlingslager der Welt.

Neben der Landepiste warten Fahrzeuge mit Logos von Hilfsorganisationen. Etwa zehn Minuten dauert die Fahrt im klimatisierten Auto über sandige Straßen zum UN-Gelände.

Seit vier Jahren lebt Rezk Rezk dort. Er arbeitet für das
UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Seine Aufgabe ist es, die Situation einzelner Flüchtlinge zu dokumentieren und damit eine mögliche Umsiedlung in Drittstaaten zu unterstützen. Seine Arbeitswoche verbringt der 30-Jährige daher zumeist «im Feld», das heißt, er ist mit einem Team in den Camps unterwegs, die mehrere Kilometer außerhalb von
Dadaab liegen.

Mehr als 260 000 Menschen leben im Flüchtlingslager, rund 90 Prozent kommen aus Somalia. Unterstützung bekommen die Menschen hier von UN und zahlreichen Hilfsorganisationen. Etwa 1000 Mitarbeiter sind vor Ort. Wie kommt man zu so einem
Job?

«Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Stufen des Einstiegs», erklärt Hellmut Meinhof, Leiter des Büros Führungskräfte zu Internationalen Organisationen (BFIO) der Bundesagentur für Arbeit. «Als Praktikant, Absolvent oder Absolvent mit Berufserfahrung.» Früh anfangen sei immer gut. Wenn man mal drin war, ist es später leichter, weil man Personen und Spielregeln kennt».

Aber auch Herzblut sei gefragt: «Sie sollten zu dem Thema eine Beziehung aufbauen, politisches und humanitäres Interesse zeigen», rät er. Glaubhaft vermitteln könne man dies etwa durch die Wahl des Studiums, Auslandsaufenthalte oder ehrenamtliche Tätigkeiten.

Rezk begann bei der UN als Übersetzer in seinem Heimatland Syrien. Der studierte Informatiker arbeitete als freier Mitarbeiter für einen Tagessatz in einem Vertriebenenlager in Damaskus. Später studierte er Menschenrechte an der Universität York in England. Nach Dadaab kam er im Anschluss über das
Freiwilligenprogramm.

Über die Zeit hinweg wurde das UNHCR-Gelände in Dadaab zu einem kleinen Dorf. Nun ist immer wieder in der Diskussion, dass es geschlossen werden soll. Längst sind die Büros und Unterkünfte keine Container mehr. Zwischen den Gebäuden schlängeln sich zementierte Pfade durch gepflegte Gartenanlagen. Täglich entfernt das Personal die von Büschen und Bäumen herabgefallenen Blätter aus dem Sand.

Gleich neben dem Restaurant «Pumzika» liegt ein Tennisplatz. Es gibt eine Kantine und einen kleinen Laden. Rezk ist regelmäßig im Fitnessraum. Andere treffen sich zum Basketball oder Fußball auf dem großen Sportplatz, den sich mehrere Hilfsorganisationen teilen. Wieder andere ziehen sich mit Büchern oder Filmen in ihre Zimmer zurück. «Die Tatsache, dass man keine Ergebnisse seiner Arbeit sieht, kann frustrierend sein», sagt Rezk. Viele deckten sich zwecks Mangel an anderen Freizeitmöglichkeiten mit zusätzlicher Arbeit ein. Ab 18.00 Uhr gilt eine Ausgangssperre.

Man brauche für die Arbeit bei einer Nichtregierungsorganisation nicht unbedingt Abitur, was man braucht seien Fachkenntnisse, sagt Anke Kurat, stellvertretende Geschäftsführerin vom Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe, der rund 120 deutsche NGOs vertritt. «Das Berufsfeld ist unglaublich weit. Das reicht vom Imker über Wasserbauingenieure zu Ärzten, Hebammen und Managementpersonal.» Eigentlich sei die ganze Bandbreite an Berufen gefragt, die es auch in Deutschland gibt.

Qualifiziertes internationales
UN-Personal verdient gut in Dadaab, deutlich mehr als die kenianischen Mitarbeiter. Die Höhe des Gehalts richtet sich nach der Eingruppierung: Die Klassen P1 bis P5 setzen alle einen Hochschulabschluss voraus. Wer etwa auf P2 einsteigt, verdient in Dadaab monatlich mit Grundgehalt plus Zuschüsse etwa 5000 Euro. Inbegriffen ist darin eine Gefahrenzulage. In den vergangenen Jahren war es immer wieder zu Entführungen von Mitarbeitern gekommen. Auch explodierten mehrfach Sprengsätze unter Konvois von Hilfsorganisationen.

Das Gelände, auf dem neben UNHCR ein weiteres Dutzend anderer Organisationen ihre Büros und Unterkünfte haben, ist militärisch abgeriegelt. Besucher werden mit Metalldetektoren abgesucht, ihre Taschen durchsucht, Fahrzeuge auf Sprengsätze kontrolliert.

Hinzu kommt die psychische Belastung. Zwischen zwei und vier Fällen nimmt Rezk täglich auf. Je nach Größe der Familien sind das bis zu 30 Menschen, deren Schicksale er dokumentiert. Geschichten über Gewalt, Hunger, Tod und Hoffnungslosigkeit gehören zum Alltag.

Man gewöhne sich daran, meint Rezk. Wird es zu normal, weiß er, dass es Zeit zum Abschalten ist. Alle sechs Wochen müssen UN-Mitarbeiter daher für eine Woche raus aus Dadaab. «R&R» – rest and recuperation (übersetzt: Ruhe und Erholung) heißt das im Fachjargon.

«Was man braucht, ist Interesse, Engagement, Neugier und viel kulturelle Sensibilität», erläutert Kurat. Dafür bekäme man eine sinnstiftende Aufgabe.

Rezk kann das bestätigen. «Wenn dir irgendjemand in diesem Feld sagt, dass er niemals Zweifel habe, dann lügt er», sagt Rezk. Doch am Ende ist er von seinem Job überzeugt. Er fühle sich seiner Arbeit mit Flüchtlingen verpflichtet. «Was sollte ich sonst tun?»

Fotocredits: Silja Ostermann,Anna Kerber,Anna Kerber
(dpa/tmn)

(dpa)