Hamburg (dpa/tmn) – Viele Studierende hangeln sich während des Studiums von Praktikum zu Praktikum. Andere arbeiten über mehrere Jahre als studentische Aushilfe und fühlen sich, als wären sie längst im Berufsalltag angekommen.

Und manche verzichten gänzlich auf einschlägige Erfahrung, da sie finanziell ums Überleben kämpfen und Jobs nachgehen, die für den späteren Beruf irrelevant sind.

Doch muss man als frisch gebackener Uni-Absolvent überhaupt schon passende Berufserfahrung vorweisen? Und wenn ja: wie viel?

Darauf zu verzichten ist aus Sicht von Ragnhild Struss jedenfalls nicht empfehlenswert. «Praktika stellen als einschlägige Praxiserfahrung einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber rein theoretisch ausgebildeten Berufseinsteigern dar», sagt die Expertin vom Hamburger Karriereberatungs-Unternehmen Struss und Partner. «Daher gilt: Je mehr Praktika man absolviert hat, umso besser.»

Menge allein ist aber nicht alles. In jedem Fall sei es wichtig, dass ein roter Faden erkennbar ist und die Tätigkeiten nicht wild durcheinander gewürfelt wirken, erläutert Struss. «Passen Sie extrem gut zu einer ausgeschriebenen Stelle, können mitunter schon ein bis zwei Praktika ausreichend sein, um zu punkten.»

Arbeitgeber schätzen praktische Erfahrungen

Grundsätzlich könne man sagen, dass potenzielle Arbeitgeber praktische Erfahrung schätzen, bestätigt Petra Lehmann von der Zentralen Studienberatung der Universität Heidelberg. Das könnten Praktika, studentische Nebentätigkeiten oder Werkverträge sein.

Klara Feicht studiert Sonderpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist als pädagogische Mitarbeiterin an einer offenen Ganztagsschule tätig. Für die Lehramtsstudiengänge seien zwar Praktika vorgegeben. «Danach folgen zwei Jahre Referendariat, in der die gesamte Erfahrung gesammelt werden soll.» Es sei für sie aber sehr wichtig, andere Bereiche des schulischen Kontextes kennenzulernen. «Im Bereich des offenen Ganztages hat man eine völlig andere Beziehung zu den Schülern als eine Lehrkraft», erläutert sie.

Der Studienbereich als Maßstab

Ob es Praxiserfahrung unbedingt braucht, hängt auch vom Studienfach ab. «Grundsätzlich haben es Absolventen technischer und naturwissenschaftlicher Studiengänge einfacher mit dem Berufseinstieg. Aber auch hier sind praktische Erfahrungen von Vorteil», sagt Petra Lehmann. In den geisteswissenschaftlichen Studiengängen jedoch seien praktische Erfahrungen unabdingbar.

Vorerfahrung kann sich außerdem finanziell auszahlen. Beim Eintritt in geisteswissenschaftliche Berufe hebe Vorerfahrung den Lohn im Schnitt um elf Prozent, erklärt Malte Sander vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Grundsätzlich sei das Einstiegsgehalt in den anderen Bereichen aber höher.

Wenn Geld vor Erfahrung steht

Ob Kellnern, Kurierfahrten oder Flyer verteilen: Wer neben dem Studium Brotjobs nachgeht, um sich sein Auskommen zu sichern, muss sich nicht schämen. «Zunächst ist es sehr wichtig, die eigene Lebenslage mit Stolz zu betrachten», sagt Ragnhild Struss. «Wer neben dem Studium darauf angewiesen ist, durch fachfremde Jobs Geld zu verdienen, dem gebührt Respekt.»

Sie empfiehlt diesen Studierenden aber, «alle möglichen Arten der Weiterbildung zu nutzen: VHS-Kurse belegen, Vorträge besuchen oder Bücher lesen.» Denn solche autodidaktischen Bemühungen signalisierten Eigeninitiative, fachliches Interesse und Lernbereitschaft.

Fazit: Es ist ratsam, während des Studiums möglichst viele Erfahrungen zu sammeln. Ein roter Faden sollte aber erkennbar sein. Diejenigen, die beim Berufseinstieg noch grün hinter den Ohren sind, haben es etwas schwerer im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt.

Fotocredits: Florian Schuh

(dpa)