Berlin – Wer mit Bildungspolitik einen Gerechtigkeitswahlkampf führen will, kann auch in der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) Ansatzpunkte finden.

Nach wie vor hat schon der Zugang zu einer Hochschule in Deutschland viel mit dem Elternhaus zu tun – ein höherer Bildungshintergrund wirkt meist Wunder. Danach tun sich Studierende mit (oft nur mickriger) Bafög-Stütze angesichts teurer Mieten und hoher Lebenshaltungskosten im Uni-Alltag schwerer als Kommilitonen aus wohlhabenderen Verhältnissen. Der finanzielle Druck auf einen Großteil der gut 2,8 Millionen Studenten nimmt insgesamt zu, die Chancen sind weiterhin ungleich verteilt.

Erkenntnisse der nun veröffentlichten
DSW-Studiemit 55 000 ausgewerteten Teilnehmer-Datensätzen im Überblick:

WER STUDIERT: Bei aller Vielfalt und Buntheit an den 370 Hochschulen in Deutschland – es gibt einige Durchschnittswerte: Alter 24 bis 25 Jahre, unverheiratet, in ein Vollzeitstudium eingeschrieben, 918 Euro pro Monat zur Verfügung. Doch mehr als ein Viertel muss mit weniger als 700 Euro auskommen. 33 Arbeitsstunden pro Woche werden direkt für das Studium aufgewendet, neun Stunden gehen drauf fürs Geldverdienen. Jeder Fünfte hat Migrationshintergrund. Sechs Prozent studieren mit Kind. Elf Prozent müssen im Studium mit gravierenden Gesundheitsproblemen zurechtkommen. Und gut jeder Fünfte in einem höheren Semester (28 Prozent) war schon zum Studieren im Ausland.

WAS STUDIERT WIRD: Auch hier ergibt sich ein buntes Bild. An der Spitze der Fachgruppen liegen Mathematik- und Naturwissenschaften (22 Prozent), Ingenieurwissenschaften (21), Recht und Wirtschaft (18), Sprach- und Kulturwissenschaften (18) sowie Sozialwissenschaften, Psychologie und Pädagogik (14). Zwei von drei Studierenden (62 Prozent) streben einen Bachelor-Abschluss an, 22 Prozent den Master und 13 Prozent ein Staatsexamen.

WOHER STUDENTEN STAMMEN: Hier lässt sich zumindest erahnen, dass der persönliche Bildungshintergrund immer noch eine größere Rolle spielt. Denn zwei von drei Studierenden (66 Prozent) stammen laut DSW-Befragung 2016 aus bildungsnahen Haushalten mit Abitur und/oder Hochschulreife der Eltern – vor 25 Jahren waren es 43 Prozent. Bei 24 Prozent haben die Eltern heutzutage den mittleren Schulabschluss, bei 9 Prozent den Hauptschulabschluss. Untersucht man das Phänomen genauer, dann haben derzeit 52 Prozent der Studenten eine akademisch gehobene oder hohe Bildungsherkunft. Bei 48 Prozent der Studierenden sind die Eltern hingegen nicht akademisch gebildet – sie gelten damit als «Bildungsaufsteiger».

WO DAS GELD HERKOMMT: Auch hier hat das Studentenwerk mit seiner Umfrage vom Sommer 2016 Mittelwerte herausgefunden. Der weitaus größte Teil der Studierenden (86 Prozent) wird von den Eltern unterstützt, und zwar durchschnittlich mit 541 Euro im Monat (Sozialerhebung 2012: 481 Euro). Sogenannte unbare Zuwendungen stiegen zuletzt im Schnitt auf 309 Euro (2012: 261) – beispielsweise als familiäre Mietzahlung für die immer teurere Studentenbude. Aus Jobs stecken Studierende 385 Euro in ihren Hochschulalltag (2012: 300 Euro). Die Jobber-Quote steigt – innerhalb von vier Jahren um sechs Punkte auf 68 Prozent. «Der Anteil erwerbstätiger Studierender erreicht damit wieder das bislang höchste Niveau, das für das Sommersemester 2003 registriert wurde», heißt es im DSW-Report.

WER BAFÖG BEZIEHT: DSW-Präsident Dieter Timmermann bedauert, dass 2016 nur 18 Prozent der Studenten Unterstützung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) erhielten – die niedrigste Quote seit Beginn der 90er Jahre. Besonders erschüttert habe ihn, dass 37 Prozent derjenigen, die eigentlich Geld bekommen könnten, keinen Antrag stellen – aus Angst vor Schulden. «Wir müssen gemeinsam mehr fürs Bafög werben», sagt er. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) geht davon aus, dass nach der Reform vom vorigen Herbst statt bisher 611 000 Studierenden demnächst wieder über 700 000 die staatliche Stütze erhalten. Der Höchstsatz wurde von Schwarz-Rot zuletzt nach sieben Jahren Stagnation auf 735 Euro erhöht. Ein regelmäßiges Bafög-Plus – wie von Studentenwerk, SPD, Grünen und Linken gefordert – lehnt Wanka bisher ab. Der durchschnittliche Förderbetrag lag im Sommersemester 2016 bei 435 Euro.

WAS WOHNEN KOSTET: Die Miete knabbert immer stärker am studentischen Budget. Nach den DSW-Daten sind dafür im Schnitt pro Monat 323 Euro fällig. Eine aktuelle Studie des Moses-Mendelssohn-Instituts geht sogar davon aus, dass bereits ein Platz in einer Wohngemeinschaft (WG) derzeit mit durchschnittlich 353 Euro zu Buche schlägt. Knapp zwei Fünftel der Studierenden wohnen allein (17 Prozent) oder mit Partner (21 Prozent) in der eigenen Wohnung, ein knappes Drittel (30 Prozent) in einer WG, jeder Fünfte (20 Prozent) noch bei den Eltern. Auf Wohnheimplätze (12 Prozent) sind besonders Menschen aus ärmeren Haushalten angewiesen, wie DSW-Chef Timmermann betont. «41 Prozent der Studierenden, die im Wohnheim leben, gehören zum unteren Einkommensviertel.» Das Studentenwerk strebt einen Bund-Länder-Hochschulsozialpakt für mehr preisgünstigen Wohnraum an.

Wohnen für Hilfe als Alternative für Studenten zur WG

Keine bezahlbare Bleibe zum Semesterstart? Dann sollten Studenten Angebote abseits des regulären Wohnungsmarktes prüfen. Dazu gehört laut Deutschem Studentenwerk zum Beispiel das Projekt «Wohnen für Hilfe», das es in vielen Städten gibt. Studenten wohnen etwa bei Senioren und helfen ihnen einige Stunden in der Woche im Haushalt. Im Gegenzug dürfen sie umsonst oder günstig dort wohnen.

Eine Möglichkeit ist auch ein Zimmer im Studentenwohnheim – um dort einen Platz zu bekommen, müssen Studenten sich aber früh melden. Was viele nicht wissen: Bewerben können sie sich dort auch schon, wenn sie noch gar nicht an der Hochschule eingeschrieben sind. Die Immatrikulationsbescheinigung reichen sie später nach. Im Studentenwohnheim gibt es neben Einzelappartements auch Wohngemeinschaften.

Fotocredits: Matthias Balk
(dpa)

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